Im Gespräch mit – Philipp Schaudy

mag: wenn Berge im Weg stehen, wenn am Abend das Feuer brennt, wenn Musik im Kopf ist, wenn grüner Tee in der Kanne ist, wenn der Schnee vor Kälte quietscht, wenn man Menschen vertrauen kann“ (Philipp Schaudy)

Philipp Schaudy, Geograph und Reisefotograf und -videograf, hat viele Jahre die Welt mit dem Fahrrad erkundet. Meistens gemeinsam mit seiner Frau Valeska, war er kreuz und quer unterwegs durch Asien, Australien, Nord- und Südamerika, Afrika und natürlich Europa. 

Heimatlichter: Ihr habt viele Jahre per pedes fast 100 Länder mit über 100.000 Fahrradkilometer bereist. Wie seid ihr auf die Idee gekommen? 

Philipp: In das Radreisen sind wir/bin ich irgendwie hineingewachsen. Seit meiner Jugend war ich per Anhalter, mit öffentlichen Verkehrsmitteln und mit dem eigenen Fahrzeug in der Weltgeschichte unterwegs. Gleichzeitig habe ich mich komplett in Ausdauersport verbissen. Irgendwann fand ich dann die ideale Kombi – das Reisen mit dem Rad und auch die ideale Partnerin, mit der ich viele Jahre mit dem Rad unterwegs war. Unsere Radweltreise war eine Folgeerscheinung der Radreisen davor, die uns neben kleineren Radreisen u.a. ein halbes Jahr durch Kanada & Alaska geführt haben und mich um die halbe Welt – von Lappland nach Sydney…

 

Wenn man so lange unterwegs ist, gibt es sicher auch mal Höhen und Tiefen. Habt ihr irgendwann mal gedacht: „Jetzt ist genug, wir haben keine Lust mehr, wir fahren heim“? 

Höhen und Tiefen gibt es natürlich, wenn man lange unterwegs ist. Wobei die Höhen bei uns immer bei weitem überwiegen. „Jetzt ist genug, ich habe keine Lust mehr, ich fahre heim“? gab es bei uns aber nie. Langzeitreisen ist Lebensinhalt und Heimat zugleich, daher gab es auch nie derartige Gedanken. Wir waren immer zu 100% mit den Rädern unterwegs. Ein Umsteigen auf ein anders Verkehrsmittel – auch wenn so manche Strecke zum Verzweifeln war – gab es in unseren Köpfen nicht. 

 
Wie viele kg Gepäck habt ihr ungefähr pro Fahrrad auf euren Trips dabei und auf welches unnötige Gadget wolltet ihr dabei nie verzichten? 

Wir haben immer versucht, unser Gepäck am Minimum zu halten. Auf meiner Radtour nach Australien war ich so minimalistisch unterwegs, dass ich zwar ein kleines Zelt hatte, aber keine Liegematte. Ich hab es nie gewogen, aber alles zusammen passte in nur einen kleinen Sack, den ich am Gepäcksträger hatte. Vom spartanisch-minimalistischen Reisen bin ich später etwas abgekommen, da ich mich mit der Langsamkeit irgendwie arrangiert habe. Trotzdem haben wir uns immer bemüht, nicht mehr als das Notwendigste dabei zu haben. Auf unserer Weltreise haben wir unser Gepäck oft den Klimaten angepasst und hatten normalerweise zwischen 20 und 35 kg pro Rad dabei. Ein andermal, in Kanada & Alaska, hatten wir sogar mal ein aufblasbares Grabner-Kanu im Anhänger mit im Gepäck und sind wechselweise wochenlang auf Flüssen gepaddelt und auf den Straßen geradelt.

Was bei uns nie fehlen darf, ist ausreichend grüner Tee, mittlerweile auch eine Liegematte und gute Laune. Wirklich Unnötiges haben wir auf Radreisen nie dabei.

 

Nun habt ihr Kinder. Werdet ihr dann mit beiden auch auf große Fahrradtour gehen? 

Noch sind unsere Kids zu klein, um mit den Rädern in einer Form zu reisen, dass alle etwas davon haben. Derzeit sind wir mit ihnen viel mit unserem Bulli T5 und Dachzelt unterwegs. Die Räder sind natürlich immer dabei. Dass wir mal gemeinsam mit unseren Kids auf große Radtour gehen werden, davon gehen wir aber aus. Das Reisen mit dem Rad ist für uns nach wie vor die schönste Form, aus eigener Kraft unterwegs zu sein.


Habt ihr ein Lieblingsland oder eine Lieblingsregion und wenn ja, welche und warum? 

Unsere zweite Heimat ist definitiv Spitzbergen. Hier haben wir sehr viel Zeit verbracht, waren sehr viel unterwegs und haben auch für mehrere Jahre hier gelebt. Das Archipel ist uns extrem ans Herz gewachsen und nach wie vor etwas ganz Spezielles für uns. Ich (Philipp) leite immer noch Expeditions-Schiffsreisen in die Arktis und bin jedes Jahr für mehrere Wochen rund um Spitzbergen unterwegs.

Arktis, von Philipp Schaudy
Du warst auch viel in der Arktis. Ungefährlich ist es da sicher nicht. Was war deine vielleicht gefährlichste Situation? 

Im Winter bin ich mal mit einem Freund mehrere Wochen mit Ski und Nachziehschlitten zum südlichsten Punkt Spitzbergens gelaufen. Nachts spannt man sich aufgrund der Eisbärengefahr einen Stolperdraht um das Zelt. Läuft ein Bär hinein, wacht man durch eine Explosion zumindest auf.

Genau das passierte und wir hatten nachts einen Eisbären am Zelt, sehr nahe und sehr neugierig. -30 Grad und wir direkt aus dem Schlafsack nur in der Unterhose raus aus dem Zelt. Insgesamt keine gute Situation. Wir konnten den Bären jedoch durch Lärm und ein paar Schüsse aus unserer Signalpistole vertreiben. Das Gewehr mussten wir zum Glück nicht verwenden. Komplett unterkühlt sind wir wieder rein ins Zelt und haben noch stundenlang zum Aufwärmen gebraucht. Geschlafen haben wir die restliche Nacht nicht…

 

Und natürlich darf die Gegenfrage nicht fehlen, was hat dich in der Arktis am meisten berührt?

Das ist schwer zu beantworten. Es sind generell die gewaltigen Naturerlebnisse, die man hat. Ob das eine Eisbärenmutter ist, die ihr Junges stillt, die gewaltigen grönländischen Landschaften im Abendlicht, die kalbenden Gletscher, die einsamen stillen Landschaften der Polarwüste oder die Weite des Packeises am Nordpol, ist ganz egal. Diese Momente in und mit der Natur sind oft so einzigartig und vollkommen, dass sie ein gemeinsames Superlativ ergeben. Wahrscheinlich wird man deshalb auch Arktis-süchtig. 😉

 

Philipp, herzlichen Dank für das spannende Gespräch!

 

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